Zur Orgel in der Kapellenkirche
von Peter Mönch, Mönch Orgelbau KG, Überlingen
(aus der Festschrift zur Orgeleinweihung am 14./15. Juli 1990)
Der Ortsfremde lässt sich durch die Bezeichnung Kapellenkirche leicht irreführen. Er weiß nicht, dass diese zweite Kirche der Münsterpfarrei Rottweil ihren Namen von der Kapelle unten im Turm bezog, dass der 70 m hohe Kapellenturm aus dem 14. und 15. Jahrhundert ein Wahrzeichen Rottweils ist, und dass es sich bei der Kirche um einen reich ausgemalten Barockraum handelt.
So erging es auch dem Orgelbauer, als er die Kirche erstmals aufsuchte. Der lichte, hohe Raum strahlt barocke Festesfreude aus – wie musste da die Orgel erklingen können. Doch davor stand noch ein gutes Stück Arbeit.
Der Bischöfliche Orgelsachverständige, Herr Guntram Burger, Seitingen-Oberflacht, hatte ein Konzept für die neue Orgel mit Hauptwerk, Schwellwerk und Pedalwerk vorgelegt. Als Besonderheit sollte das Pedalwerk zweigeteilt vorn auf der Brüstung aufgebaut werden. Dabei ging es nicht um die Pedaltürme, wie sie eher von der nordischen Barockorgel bekannt sind. Mit den Pedaltürmen sollten zwei Balken vorn an der Brüstung verdeckt werden, an denen die Empore hängt. Die Vorgängerorgel aus der Jahrhundertwende hatte in herkömmlicher Weise frei auf der Empore gestanden. Allen Beteiligten war noch gut in Erinnerung, wie sehr diese beiden Balken die Ansicht jedes dahinter aufgebauten Instruments störten.
Nach eingehender Beschäftigung mit der Architektur, Proportionen, Maßen kam ich zu dem Schluss, dass die Orgel ebenfalls ein barockes Äußeres aufweisen muss, wenn sie sich in die Reihe der übrigen Ausstattung dieses Kirchenraums einbinden soll. Den Anachronismus wollte ich dabei gerne wagen, wenn nun einmal zeitgenössische Formen nicht zum gewünschten Ergebnis führen. So entstand der Plan für diese neue Orgel, wie sie sich nun auf der tribünenartigen Empore präsentiert.
Das Instrument ist keine Stilkopie. Klanglich steht es in guter süddeutscher Tradition mit breiter Palette von Grundstimmen, einschließlich der zart schwebenden Register. Die Aliquoten und Zungenregister geben kraftvolle Farben – wollen es den Deckenfresken Firtmairs gleichtun. Heutige kirchenmusikalische Belange finden im Klangaufbau vorrangig Berücksichtigung. Die Berater, Herr Burger und der Münsterorganist Herr Strasser, legten nicht zuletzt Wert auf einen in Rottweil noch nicht vertretenen Klangtyp.
Der Orgelaufbau ist für den Betrachter aus dem Kirchenraum nicht ganz erfassbar, da sich das Schwellwerk mit einem eigenen Gehäuseschrein im rückwärtigen Emporebereich befindet. Der sichtbare Mittelteil ist das Hauptwerk; aus seinem Untergehäuse ragt die Spielanlage. Weil die beiden Flanken des Pedalwerks mit der Brüstung abschließen, bleiben links und rechts am Hauptwerk-Untergehäuse Zugänge ausgespart. Im Grundriss bildet die Prospektfront ein Oval mit der Brüstungsausbauchung – genügend Raum für Sängerschola oder das kleine Instrumentalensemble.
Das Orgelgehäuse besteht aus Fichte, Profile und Schnitzwerk aus Linde. Es wurde die klassische Kranzkonstruktion angewendet mit Sockel-, Gurt- und Hauptgesims. Die Flächen sind Rahmen mit massiven Füllungen. Das Gehäuse übernimmt zugleich sämtliche Lagerfunktionen für Windladen und Mechanik. Diese Bauweise wird im Orgelbau seit alters bevorzugt – auch heute. Neu erarbeiten mussten wir uns die Technik doppelt geschweifter Profile.
Für Schnitzwerk und dessen Vergoldung war Frau Claire Pietsch, die Bildhauerin aus Wald, beauftragt worden. Sie hat die Intention des ersten Entwurfs aufgenommen und bravourös in die Tat umgesetzt.
Nach längerer Beratungs- und Planungsphase haben wir im Oktober 1989 mit der Anfertigung der Einzelteile begonnen. Zur Verwendung gelangten Materialien, die sich seit jeher im Orgelbau bewährt haben: an Holzarten Eiche, Fichte, Linde, für die Pfeiffen Kiefer, Zinn und Blei, für die Mechanik, neben Holzteilen aus Fichte und Weißbuche, Messingdraht und Umlenkwellen aus Eisen, als Dichtung und Dämpfung Schafleder und Wollfilz. Die Tasten sind mit Bein und Ebenholz belegt. Für den Wind sorgt ein Gebläse, das zwei große Bälge füllt.
Im Februar stand die Orgel technisch fertig aufgebaut in unserer Werkstatt, so dass es an das Einpassen der 1931 Pfeifen gehen konnte. Die längste Basspfeife misst gut fünf Meter; zehn Holzpfeifen ab dieser Länge stehen frei hinter den Pedalgehäusen.
Der Orgelaufbau in der Kapellenkirche begann Mitte März. Hier erhielt das Gehäuse seine endgültige Fassung, Restaurator Erich Buff aus Sigmaringen und seine Mitarbeiter legten die elegante Marmorierung an, so wie es das Gesamtbild verlangte und wie es dank der glücklichen Entscheidung von Herrn Dekan Scheffold und Herrn Konviktsdirektor Stöffelmaier möglich wurde. Wir konnten unsere Aufbauarbeiten Mitte Mai fortsetzen, und zum Pfingstfest zeigten sich Empore und Orgel frei von Gerüsten.
Zuletzt gehörte das Instrument dem Intonateur. Unser Herr Friedrich Reischer hatte diese schöne und zugleich strapaziöse Aufgabe, die Pfeifen klanglich der Akustik des Kirchenraums anzupassen und einzustimmen. Unsere Arbeit umfasste rund 9000 Stunden, ohne Farbfassung und Schnitzwerk und ohne Überlegungen, Beratungen und Diskussionen. Dies ist nicht mehr und nicht weniger, als es zum Bau jeder Pfeifenorgel dieser Größenordnung bei kunst¬fertiger Ausführung bedarf.
Wir danken der Gesamtkirchengemeinde Rottweil für die Beauftragung unserer Werkstatt und freuen uns über das vollendete Werk. Ich danke allen Beteiligten für das gute Zusammenwirken und besonders unseren Mitarbeitern für vorzügliche Arbeit.
Peter Mönch (Mönch Orgelbau KG, Überlingen)
Disposition der Orgel
- 4 Pedalregister sind dem Hauptwerk entlehnt.
- Mechanische Spiel- und Registertraktur, einhebelige Tasten
- Einstimmung nach Werckmeister III
Beratung:
Herr Guntram Burger, Bischöflicher Orgelsachverständiger Seitingen- Oberflacht
Erbauer:
MÖNCH ORGELBAU KG, Überlingen