Heilig-Kreuz hat eine außerordentlich vielfältige Baugeschichte
Von Berthold Hildebrand
Im Rahmen des Jubiläumsjahres `“900 Jahre Heilig-Kreuz Rottweil“ bietet der Förderverein Münsterbauhütte Heilig-Kreuz e.V. verschiedene Führungen an. Am Sonntag sprach Architekt Dr. Stefan Blum zu einer großen Gruppe von Interessierten über die Baugeschichte von Heilig-Kreuz. Blum war Gesamtverantwortlicher Architekt bei der zurückliegenden Innensanierung und hatte die Oberbauleitung inne.
Der mittelalterliche Kirchenbau wurde über Teilen eines romanischen Vorgängerbaus in mehreren Bauabschnitten ab dem 14. Jh. errichtet. Mit der Einwölbung des Langhauses im Jahr 1534 war das Bauwerk so vollendet, wie wir es heute kennen. Die flache Einwölbung brachte einen großen Druck auf die Außenmauern mit sich. Gemildert wurde dieses Problem dadurch, dass die Gewölbeschalen sehr dünn und aus leichtem Tuffstein gemauert wurden. Die Last der Decke wurde von den Gewölberippen getragen. Eine Rippe im vorderen Langhaus fehlt. Blum meinte, „was nicht trug, fiel einfach von der Decke“. Das Hauptportal war das südliche Portal. Die Vorhalle des heutigen Haupteingangs hinten stammt erst von 1913. Im weiteren Verlauf der Baugeschichte kam es zu wenigen größeren Renovierungen, so beispielsweise infolge eines Brandes im Jahr 1696. Mehrere Quellen berichten von Neufassungen der Raumschale. 1786/87 wurde eine arbeitslose Artistengruppe mit der Tünchung der Raumschale in der Farbe rosa beauftragt. Die Ausstattung mit Altären, Skulpturen, Gemälden, Mobiliar sowie sonstigem Inventar befand sich in stetigem Wandel. Im 17. und 18. Jh. bekam der Innenraum ein zunehmend barockes Gepräge. Bei der Besichtigung des Bauwerks von außen fiel auf, dass der Hochgotische Chor eine stolze Höhe hat, aber das Langhaus ohne Obergaden errichtet wurde und dadurch kein Licht in den oberen Kirchenraum kommt. Ein Bruch in der sehr abwechslungsreichen Baugeschichte?
Die Veränderungen folgten dem Wandel der gottesdienstlichen Bedürfnisse und der Epochenstile. Im 19. Jahrhundert kam mit der Romantik eine Wertschätzung des Mittelalters auf. Die Stilvorstellungen und eine sich verändernde Glaubenswelt beeinflussten den Kirchenbau allgemein und Heilig-Kreuz in ganz besonderer Weise. Bereits 1827 begann man, einen Teil des barocken Inventars zu entfernen. Als Karl Alexander Heideloff 1841 mit der Instandsetzung der Kirche beauftragt wurde, begann mit der Regotisierung der prägende Umbau. Bereits ein halbes Jahrhundert später verfasste der Stuttgarter Architekt Dolmetsch eine Denkschrift, um die nächste Renovierung anzustoßen. Man wollte Joseph Cades damit beauftragen, der allein in der Diözese Rottenburg 39 Kirchen baute. Weil dieser aber keine Zeit hatte, wurde zum Glück der Rottweiler Stadtbaumeister Wäschle im Jahre 1912 beauftragt. Es ging vor allem um die Neugestaltung der Raumschale. Dafür wurden Altäre und das sonstige Inventar abgebaut. Im Stil einer mittelalterlich historisierenden Gestaltung wurde Natursteinmauerwerk an Wänden, Pfeilern und Bögen aufgemalt. In Chor und Langhaus erhielten die Gewölbe eine reiche Fassung. Schlusssteine und Rippenschnittpunkte wurden polygrom gefasst und vergoldet. Auf den hell getünchten Gewölbesegeln breiten sich florale Motive unterschiedlicher Gestalt und Farbigkeit aus. Im Chorhimmel zeigen die Gewölbesegel blau hinterlegte, goldene Sterne auf hellem Grund. Die Ausstattung wurde wieder eingebaut, sie war noch in gutem Zustand. Die heutige Vorhalle mit dem Aufgang zum Chor wurde damals angebaut. Der stufenartig abfallende Boden wurde verebnet und schaffte so den Platz für die geforderten 1120 Sitzplätze in der Kirche. Dabei blieben die historischen Wangen erhalten, einige neue kamen hinzu. In den 1960er Jahren wurde für die neue Orgel die heutige, stilistisch und konstruktiv geniale Orgelempore eingebaut. 1970 schließlich sei die Kirchengemeinde ihrer Zeit etwas voraus gewesen und habe den Chorraum umgestaltet mit dem neuen Zelebrations-Altar von Josef Henger. Bei der jüngsten Innensanierung musste Architekt Blum den Altar 6m näher zum Kirchenschiff hin versetzen, was ihm optimal gelungen ist. Man denkt heute, der Altar sei schon immer dort gestanden. Ferner hat er ein gänzlich neues Lichtsystem in die Kirche gebracht. Und schließlich brauchte es ein neues Gestühl mit nur noch knapp über 600 Plätzen. Auch diesmal wurden die barocken Wangen wieder eingebaut. Die Prägung von Heideloff blieb so bis heute erhalten. Prof. Werner Mezger dankte Architekt Dr. Stefan Blum und meinte zum Schluss, dieser habe der Kirche ihren jetzigen Stempel aufgedrückt.
Architekt Blum bei seinem Vortrag
Foto: Berthold Hildebrand