Impulse und Mitteilungen
Hier finden Sie „Orientierung“: Impulse und Mitteilungen der Kirchengemeinden Rottweils über aktuelle Themen, Anstöße für den Alltag und Hinweise zu bevorstehenden Festen. Alle Artikel erscheinen alle zwei Wochen in der Samstagsausgabe des Schwarzwälder Boten.
Orientierung 05 vom 9. März 2024
Die Freiheit des Verzichts
In der Fastenzeit ist am Sonntag Bergfest.
- Von Michael Becker
Morgen beginnt im Islam der Ramadan, der Fastenmonat. Weil in ihm der Koran offenbart worden sein soll, sind Muslime aufgerufen, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang weder zu essen noch zu trinken. Eine religiöse Pflicht für alle Muslime. Respekt, wer das konsequent durchzieht.
Im Christentum ist morgen Halbzeit, Bergfest sozusagen. In drei Wochen ist Ostersonntag, dessen Vorbereitung die Fastenzeit dient. Moment, morgen ist keine Fastenzeit, denn die Sonntage sind jede Woche kleine Osterfeste, an denen man nicht fastet. Da wird gefeiert. Manchen aufrechten „Fastern“ erscheint das ein bisschen wie Selbstbetrug, dann tut das ja gar nicht so weh. Aber im Grunde verbirgt sich dahinter eine tiefere Weisheit: Es geht in der christlichen Fastenzeit nicht um Leistung, es geht um Freiheit, ja um Freiheit.
Es gibt eine Freiheit von etwas, das meint den Verzicht auf etwas, und es gibt eine Freiheit zu etwas, das meint die Freiheit, sich etwas gönnen zu dürfen. Und das ist manchmal schwieriger als der Verzicht.
Vom heiligen Franziskus ist diese Geschichte überliefert: Als er mit den ersten Brüdern fastete, hörte er eines Nachts, wie einer von ihnen sich vor Magenschmerzen krümmte, weil er Hunger hatte. Sofort weckte er alle und befahl, dass alle ein nahrhaftes Essen haben sollten, aus Liebe zu dem Bruder, um ihm die Schmerzen zu nehmen und ihm keine Blöße zu geben. Das ist Freiheit.
Von Mensch zu Mensch
Nach „Rottweil bleibt bunt“ bleibt ein Nachdenken.
- Von Michael Becker
Wenn Sie diesen Artikel lesen, dann ist es schon wieder zwei Wochen her seit der Großkundgebung und dem Kulturfest in Rottweil mit dem Thema: „Rottweil bleibt bunt.“ Besonders das Kulturfest hat mir persönlich gut gefallen.
Nachdenklich machte mich nur eine Sache: Dort, wo ich war, waren wir eigentlich unter uns. Viele Freunde, Bekannte, die ich auch sonst treffe, sah ich auch hier. Ich hätte doch auch Neu-Rottweiler, Geflüchtete, eben „bunte“ Rottweiler erwartet.
Ganz anders ist das beim Bahn fahren. Da sehen Sie wirklich Menschen jeglicher Couleur. Da hält ein Pakistani einer Familie die Tür auf, eine Afrikanerin setzt sich breit grinsend neben mich. Laute, leise, sich freuende, mürrische, egal – sie verbindet alle, dass sie irgendwo hin müssen. Menschen, die unterwegs sind. Menschen.
Da fällt mir eine Geschichte ein: die Begegnung zwischen Jesus und dem Zöllner Zachäus in Lukas 19. Auf seinem Weg nach Jerusalem kommt Jesus durch Jericho. Die Menschen empfangen ihn wie einen Popstar. Darunter ist auch der Zolleintreiber Zachäus, wegen seines Berufes von den Menschen verachtet. Jesus sieht ihn und lädt sich ausgerechnet bei ihm zum Essen ein. Er wusste, dass ihm das gehörigen Ärger in der bürgerlichen Gesellschaft einbringen würde, und Zachäus, der Ausgestoßene, wusste das auch. Dennoch: Jesus ist bei ihm zu Gast. Das berührt Zachäus so sehr, dass er alles Unrecht, wiedergutmachen möchte und sein Leben von Grund auf ändern möchte. Jesus hat Zachäus keine Vorwürfe gemacht, er ist ihm begegnet, von Mensch zu Mensch und hat ihm geschenkt, was im Grunde jeder Mensch sucht: Anerkennung und Würde. Das hat Zachäus frei gemacht. Wie mag die Geschichte wohl weitergegangen sein? Haben ihm die Bürger von Jericho eine neue Chance gegeben, so von Mensch zu Mensch oder theologisch gesprochen: von Ebenbild Gottes zu Ebenbild Gottes? Und bei uns? Gottes? Und bei uns?
Heimat ist überall
Wenn man einen Menschen wählen lässt, ob er lieber in ein fremdes Land mit fremder Kultur gehen möchte oder ob er in seiner Heimat eine wirtschaftliche und kulturelle Perspektive haben kann, wählen wohl die meisten die Heimat, die ihnen vertraut ist. Von daher bedeutet „Rottweil bleibt bunt“ auch den Blick auf die Heimat anderswo auf der Welt, denn Heimat ist überall.
Das katholische Hilfswerk Misereor legt den Fokus in der Fastenzeit 2024 auf Kolumbien. Unter dem Motto „Es interessiert mich die Bohne“ informieren sie über die Situation der dortigen Kleinbauern. In Zusammenarbeit mit der Land-pastoral der Diözese Pasto helfen sie den Bauern, mehr Ertrag aus ihrer Landwirtschaft zu erzielen durch Fruchtwechselwirtschaft und alternative Anbaumethoden.
So können die Bauern von ihrer Arbeit leben. Auf misereor.de wird eine Fülle an Unterstützungsmöglichkeiten vorgestellt, von Spenden über Informationsmaterial bis hin zu Unterlagen für Aktionen.
Michael Becker
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