Einerseits sind die Themen schon etliche Male und seit Jahrzehnten in allen möglichen Gesprächsformaten diskutiert worden: Die Rolle der Frau in der Kirche, der Zölibat, überhaupt die Reformierbarkeit der katholischen Kirche. Und einerseits scheinen die Progressiven sich an den Bremsern die Zähne auszubeißen. Andererseits ist Wasser härter als Stein und andererseits hölt steter Tropfen jeden Stein. Und irgendwann fällt der Stein und macht den Weg frei.

Mit dieser Hoffnung im Herzen stellte die Rottweiler Gruppe „Aggiornamento“ nun das zweite Nachtcafé auf die Beine. Wieder haben die Organisatoren rund um Norbert Kleikamp namhafte Gäste eingeladen und wieder hat der Theologe und Germanist Georg Fröhlich in gewohnter Sachkenntnis und mit erfrischendem Augenzwinkern durch den Abend geführt. Gäste waren dieses Jahr: Maria Berger-Senn, ehemaliges Mitglied im Zentralkomitee deutscher Katholiken, Anna Flaith vom Bund der katholischen Jugend, Simon Linder, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Praktische Theologie in Tübingen, Heike Teufel, Geschäftsführerin der katholischen Erwachsenenbildung in Rottweil sowie Wolfgang Raible, Buchautor und katholischer Priester.

Den Rahmen gab die Frage: „Was fehlt unserer Kirche?“, Warum engagieren sich immer weniger Menschen in der Kirche? Warum werden die Kirchen immer leerer? Und daran anschließend: Was muss sich ändern? Können es die Frauen am Altar richten? Wohin wollen wir überhaupt?

In drei Runden, jeweils unterbrochen durch ein Musikstück der Big-Band SE IV unter der Letung von Patrick Mink gaben die Gäste jeweils einen eigenen Blick auf diese Fragen. Berger-Senn gab zu bedenken, dass weltweit nur in der Diözese Rottenburg-Stuttgart die gewählten Kirchengemeinderäte über die Finanzen der Gemeinde bestimmen – auch gegen den Willen der Geistlichkeit und erinnerte an den biblischen Wert der Freiheit. Simon Linder aus Tübingen rief die Anwesenden dazu auf, einfach „zu machen“ und erinnerte, wie Reformen in der Kirche aus Initiativen Einzelner entstanden sind, die sich von einem Veto aus Rom nicht haben bremsen lassen. Heike Teufel, lange Jahre tätig in Peru, erinnerte daran, dass in Südamerika schon lange sogenannte „Laien“, auch Frauen Gemeinden leiten und Gottesdiensten vorstehen. Wolfgang Raible berichtete über die AGR und den synodalen Weg, wo reformorientierte Christen und Geistliche über Möglichkeiten und Notwendigkeiten diskutieren. Gerade der synodale Weg und dessen theologisch gut durchdachten Impulse für eine neue Sexualmoral in der Kirche tauchten im Laufe des Gesprächs immer wieder auf. Angesprochen auf die Enttäuschungen durch rückwärtsgewandte Einwände konservativer Bischöfe, meinte Linder, es wäre Zeit, den Blickwinkel umzudrehen, indem nicht die Bischöfe mit den Laien die Nerven verlieren sondern die Laien die Geduld mit den Bischöfen.

Ermutigt durch zahlreiche Impulse und mit dem Eindruck, dass Kirche durchaus eine moderne Zukunft hat, setzten die Gäste mit den Zuhörern an der Feuerschale auf dem Kirchplatz die Gespräche fort.

Michael Becker